Stefan Everts im Interview

TEIL 2

...des Interviews mit Stefan Everts, 7-facher Motocross-Weltmeister im Gespräch beim Großen Preis von Deutschland am Samstag, 23.08.03, 18:15 Uhr im schwäbischen Gaildorf (> zurück zum 1. Teil)

Im zweiten Teil des Interviews erzählt Stefan Everts von seinen Zielen, dem Sturz von Pit Beirer, Olympia, Belgiens Motocross Zukunft, Supercross, seinen privaten Perspektiven und dem großen Geheimnis wie man Weltmeister wird...!

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Das Interview führte Christian Tünnemann
Fotos: Silke Rinder & C. Tünneman

Mit all den Rekorden, wie motivierst Du Dich weiter? Was bleibt als Ziel?
Wenn ich am Start stehe, will ich immer der Beste sein. Die schwierigste Zeit ist im Winter, wenn man Pause macht und wieder anfängt zu trainieren. Die Menschen vergessen immer, ich arbeite schon 3 - 4 Monate bevor die WM - Saison anfängt. Das ist die schwerste Zeit. Wenn die WM erst einmal angefangen hat, sind so viele Rennen und man muß sich mehr erholen, nicht mehr so hart trainieren. Ich habe mit den Jahren eine so gute konditionelle Basis, daß ich im Jahr nicht soviel trainieren muß: Ich fahre nur an den richtigen Tagen. Wenn ich sehr müde bin und die Konzentration nicht stimmt, dann vermeide ich das Risiko und fahre nicht.
Ich habe schon soviel erreicht und man könnte denken noch ein Titel, das wäre mir egal.. aber für mich ist das noch wichtig, und ich bin noch stärker motiviert der Beste zu sein - hoffentlich noch viele Jahre.. und dann wenn das Gefühl weg ist, höre ich auf.

Das dennoch sehr schwere Verletzungen passieren können, zeigt ja der schlimme Sturz von Pit Beirer. Hast Du das im Rennen (Anm. WM Lauf in Bulgarien) mitbekommen?
Im ersten Moment habe ich gesehen, daß Pit auf dem Boden lag und daß es schlimm war, ganz schlimm. Im Rennen habe ich schon gedacht, daß er vielleicht gelähmt ist, aber in diesem Moment mußte ich weitermachen. Es ist ein schwerer Unfall und in den 14 Jahren, in denen ich jetzt WM fahre, ist es das erste Mal, daß das einem guten Freund passiert. Es passiert auch normalen Leuten täglich und auch im Amateur Motocrossrennen passiert das oft, aber für mich war das das erste Mal, daß so etwas in meiner Nähe passiert. In den ersten 2 Wochen habe ich sehr viel daran gedacht und war jeden Tag in Gedanken bei Pit - mir kann das auch passieren. Ich denke für jeden WM Fahrer war die erste Woche nicht einfach.

Was ist letztlich das große Geheimnis um Weltmeister zu werden?
Man muß feste trainieren .... Wenn man einen Traum hat - je mehr man für ihn kämpft, um so größer ist die Chance ihn zu verwirklichen. Aber man muß hart trainieren und auch auf das hören, was andere einem zu sagen haben. Man muß auch von seinen Konkurrenten lernen können und nicht denken, man alleine wäre der Beste, denn von ihnen kann man am meisten lernen. Man muß sich auch die Zeit nehmen seine Erfahrungen zu machen und nicht die Schritte zu überstürzen.
Den richtigen Moment und etwas Glück, daß Leute dich sehen und dich unterstützen, denn Motocross ist ja nicht gerade billig. Immer vorsichtig sein und kein Risiko eingehen, den Kopf bei der Sache haben.

König Stefan: Mr. 875Was ändert sich für Dich in der nächsten Saison?
Im nächsten Jahr sind es ja jeweils 2 Läufe. Ich werde jetzt nicht alles ändern, sondern so weitermachen wie in den letzten Jahren. Ich habe die letzten 3 Jahre schon immer 2 Läufe trainiert und so geht es weiter. Ich versuche einfach auch jetzt so viel Geld wie möglich zu gewinnen und gute Sponsoren zu finden, und auch den Fans etwas zurückzugeben. Ich habe viele Fans überall in Europa und finde es schön, das zu sehen. Mein belgischer Fanclub fährt überall hin, wo ich Rennen fahre. Ich habe viel Respekt vor den Leuten, die kommen um uns zu sehen.

Im nächsten Jahr wird es einen anderen Veranstalter geben in der WM. Was erhoffst Du Dir? Wird es die grundlegenden Veränderungen geben?
Ich hoffe, es wird alles wieder etwas besser. Die Leute sind einfach nicht zufrieden. Es kostet viel Geld zu den Rennen zu kommen. Man darf nicht nur nach den Rennen schauen, sondern das Ganze auch nach außen für die Fans interessanter machen, damit die nicht nur einen Tag kommen, sondern das ganze Wochenende. Hoffentlich wird das durch Longo alles besser, nicht nur daß es 2 Läufe gibt - aber ich denke schon. Er konnte die ganzen 2 Jahre nun von außen die Sache betrachten und sieht so Dinge, die man von innen nicht sieht. Ich denke, das ist das Positive an seiner Rückkehr.. .

Es gibt einige neue junge Fahrer, die dieses Jahr in die Top Ten gefahren sind. Was denkst Du, wer nächstes Jahr zu Deinen härtesten Konkurrenten gehören wird?
In der 125er Klasse ist Ben Townley das größte Talent. De Reuver war auch schon besser. Ich denke, daß auch er noch sehr gut wird. Townley hat viele Verletzungen gehabt dieses Jahr, aber immer wenn er zurückkommt, hat er sofort diese Schnelligkeit. Es fehlt nur noch die Erfahrung. Er muß nicht nur schnell sein, sondern auch Schritt für Schritt vorankommen.
Ansonsten in der MXGP Klasse ist Kevin Strijbos in seiner ersten Saison und noch ist es schwierig für ihn, denn er ist jetzt auf dem Niveau vieler Konkurrenten. Doch im nächsten Jahr wird er wieder einen Schritt voraus sein, aber das braucht auch Zeit.

Im Interview mit Stefan Everts

Der Überflieger aus BelgienDu fährst kein Supercross mehr. Warum?
Die Grandprix - Saison ist lang. Dazu fahre ich noch die belgische Meisterschaft und ich muß immer trainieren. Ich habe nur 1,5 Monate im Jahr Pause, in denen ich nicht trainiere. Wenn ich dann noch Supercross fahre, habe ich überhaupt keine Pause mehr. Ich brauche das einmal im Jahr weg zu sein vom Motorrad und den Rennen, um dann ganz frisch wieder zurückzukommen. Wenn ich Supercross fahre, muß ich weitermachen und trainieren. Außerdem ist es schwierig eine gute Supercross Strecke in Europa zu finden, und dann habe ich mir gesagt "Nein".

Im Supercross ist auch das Verletzungsrisiko größer oder?
Ja, ich habe mich in den letzten Jahren, in denen ich Supercross gefahren bin, immer verletzt.. jedes Jahr. Da habe ich mir dann gesagt, "Nein" für das Geld mache ich das nicht.

Olympia steht vor der Tür... da will eigentlich jeder Sportler dabei sein. Könntest Du Dir vorstellen, daß Motocross eines Tages olympisch wird?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Motorsport und Olympia, das passt nicht zusammen. Ich glaube nicht, daß das je passieren wird. Ich spüre das schon in Belgien von der Politik - die machen nichts für den Motorsport. Die wollen nichts wissen von Motocross. Schon seit 20 Jahren sind immer wir diejenigen, die etwas geben und nie kommt was von der Politik zurück.. immer nur: Diese Strecke muß weg, das muß weg... in 10 oder 20 Jahren ist alles weg, dann gibt es keine Rennen mehr in Belgien, wenn es so bleibt. Das finde ich Sch**ße! Wenn man dann im Vergleich Tennis sieht: Clijsters und Henin. Dann sind die Politiker da und posieren für Fotos, dann können die alles machen!
An der Popularität liegt das sicher nicht, denn ich bin in Belgien sicher so populär wie Kim Clijsters! Ich denke, daß 90% der Leute in Belgien wissen, wer ich bin und Joel Smets. Ich finde das gerade für die Kinder schade. Es heißt immer die Kinder sollen mehr Sport machen, um weg von der Straße zu sein und nicht mit Drogen in Berührung zu kommen. Da haben wir so gute Vorbilder in Belgien - ich und Joel - und die ganze Geschichte. Belgien ist top im Motocross und was passiert? Wisst Ihr, daß in Belgien noch immer die Grenze bei 15 Jahren liegt um Motocross-Rennen zu fahren? Das ist viel zu hoch - und das in Belgien! Ich werde in der Zukunft mein Bestes geben um da etwas zu verändern, daß die Kinder fahren können.

Du fährst auch sehr gerne Supermoto?
Nicht so viel, aber ich fahre jedes Jahr so einige Rennen. Ich muß dafür auch nicht so viel trainieren, aber es macht viel Spaß.

Wär das dann eine Alternative nach deiner MX-Karriere?
Ja, vielleicht ...so zum Spaß. Ich weiss es nicht, das ist noch zu früh zu sagen, vielleicht höre ich dann auch komplett auf. Jedes Jahr, wenn ich etwas trainiere mit dem Supermotard und die Rennen fahre sage ich mir: Oh das ist gut! Vielleicht für später, wenn ich aufhöre Motocross zu fahren, etwas Supermotard fahren... Aber wenn ich dann wieder Motocross fahre und das ist so weit weg vom Supermotard, dann sag ich mir das ist jetzt im Moment zuviel. Vielleicht, vielleicht auch nicht...

Wir lesen ja regelmäßig Deine MotoX-Kolumne. Das ist sehr spannend: Da sagtest im nächsten Jahr müssen deine Familienpläne noch warten. Möchtest du irgendwann Kinder haben?

(Lacht..) Ja schon, ich bin jetzt 30 und habe schon so das Gefühl, das ich einmal Vater werden will, aber wann das weiß ich nicht...In einem, vieleicht in zwei Jahren. Ich hatte in den letzten 3-4 Jahren immer so viele Kinder um mich rum, Freund und in der Familie viele bekommen Kinder und das sagt mir etwas. Auch beim Rennen immer kommen sehr viele Kinder für Autogramme und Fotos und das macht mir sehr viel Spaß.

Boxenstopp Anderes Thema: Denkst du das Doping auch im Motocross ein Problem ist oder spielt das im Motorsport eher eine untergeordnete Rolle?

Ich denke das ist ähnlich wie bei dem Vergleich mit den Olympischen Spielen. Man muß gut Motorradfahren können und ein Gefühl haben für die Strecke und natürlich auch eine gute körperliche Fitness. Aber es spielt nicht so eine große Rolle wie bei einem Marathonlauf etwa. Ich sage aber nicht, das es das nicht gibt, es gibt sicherlich einige, die das machen. Vor allem jetzt mit dem Hämatokritwert kann man leicht spielen und das fällt dann bei den Doping-Kontrollen kaum auf. Ich selber mache alle 5-6 Wochen Bluttests um zu sehen, wie fit ich bin. In Holland hatte ich einen Dopingtest und es war natürlich alles in Ordnung.

Konzentration vor dem StartWas unterscheidet denn den Motocross-Fahrer von anderen Leistungssportlern?
Ich denke bei vielen Leuten ist es so daß sie denken, es geht nur ums Gasgeben und das ist alles. Oft kommen Leute zu mir und sagen "Du mußt einfach mehr Gas geben!", aber das ist nicht so. Ich habe ein festes Trainingsprogramm jeden Tag, einen Trainer und auch die anderen Sachen wie Massage, medizinische Tests sind sehr wichtig. Ich bemühe mich einfach, das so professionell wie möglich zu machen und wir haben in den ganzen Jahren einiges Verbessert. Wir machen wie gesagt Konditionstest an der Schule für Sport in Brüssel und wir Motocrosser haben eine bessere Kondition als die belgischen Fußballer und gehören mit zu den best-trainierten Athleten Belgiens! Die waren wirklich beeindruckt von der Kondition eines Motocross-Fahrers, die meisten Leute vergessen das.

Das wirkt sich sicherlich auch auf die Ernährung aus..
Ich denke es gibt 3 Faktoren, die sehr wichtig sind: Trainieren, Essen und Schlafen. Diese müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Man sollte nicht einmal die Woche zu McDonalds fahren, denn da steckt keine Kraft im Essen. Viel Gemüse, Hühnchen, Fisch, etwas anderes Fleisch... das ist schon wichtig.

Wie ist deine Saison-Vorbereitung im Winter strukturiert?
Ab Oktober so höre ich mit dem Konditionstraining unter der Woche auf. Ich habe dann noch ein paar Rennen, aber dann mache ich 6 Wochen Pause. Ende November fange ich wieder an mit etwas Laufen und Radfahren und im Dezember dann auch etwas Krafttraining aber nur ganz wenig. Gegen Ende Januar fange ich wieder an zu fahren und baue auf, denn im Februar fangen schon die ersten Rennen an und Ende März dann die Grandprix-Saison. Dann geht das wieder los... Ja aber November bis Februar, das sind wichtige Monate, in denen ich viel trainiere, da kann ich nicht sagen "jetzt mache ich eine Woche Urlaub zu Silvester oder Weihnachten" da heißt es immer durchtrainieren

Wie sieht dein Konditionstraining aus?
Viel Laufen, Intervalltraining, in Monaco hab' ich viele Berge zum Radfahren, es geht immer hoch, das ist natürlich besser als nur auf der Ebene zu fahren. Ich schwimme auch viel, normalerweise immer Montag nach dem Rennen und dann noch ein wenig auf den Hometrainer.

Harry EVERTS
Vater. Großes Vorbild. Mein Vorbild als ich jung war und ein harter Lehrer. Es war eine harte Zeit am Anfang meiner Karriere zusammenzuarbeiten mit meinem Vater, es gab auch oft Streit (schmunzelt), aber es hat mir viel gebracht für meine weitere Karriere.

Ricky CARMICHAEL
Ein toller Kerl, zu dem ich immer eine gutes Verhältnis hatte. Wir habe uns erst Anfang des Jahre gesprochen und es war immer super! Ich freue mich ihn wiederzusehen im Oktober und gegen ihn ein Rennen zu fahren.

Mike METZGER
Auch ein toller Kerl! Ich traf ihn letztes Jahr und kam zu mir "Hey how are you.." und so.. Was er macht mit Freestyle ist super! Der Backflip! Aber persönlich kenne ich ihn eigentlich nicht so gut...

Brian JORGENSEN
Ebenfalls ein toller Kerl! Ich denke er hat viel Talent, hat aber viele Verletzungen gehabt. Er muß noch Balance finden in seiner Karriere, dann kann er noch weiter kommen.

Bernd ECKENBACH
Das ist so: (schmunzelt) Es gab in meiner Karriere gute Zeiten und schlechte Zeiten. Einmal haben wir einen großen Kampf gehabt in Roggenburg in der Schweiz, da hab' ich ihn rausgefahren, aber sonst sind wir Freunde. Manchmal passiert das im Rennen und man muß nachher dann auch sagen, okay das ist vergangen.

Jan ULLRICH
Immer Zweiter oder? (lacht) Aber ich denke, das er dieses Jahr die Chance gehabt hat... Lance Armstrong war nicht so stark, wie in den letzten Jahren, aber es war doch zu kurz. Auch das up and down in seiner Karriere - ich vergleiche das mit Vandenbroucke (Anm. belgischer Radprofi), der hat auch schon soviel gemacht und hatte dann wieder ein comeback, und wieder ein comeback - Jan Ullrich auch, ich denke das er noch einmal die Tour gewinnen kann.

Robbie WILLIAMS
Einer der besten Entertainer, ich hab' sein Konzert vor ein paar Wochen in Belgien gesehen, ja ein super Entertainer, tolle Musik - ich habe alle seine CDs!

Arnold SCHWARZENEGGER
Ich denke seine Filmkarriere ist vorbei (schmunzelt), was er jetzt macht Governeur von Kalifornien war ein guter Schritt für ihn...

Evel KNIEVEL
Das er noch lebt ist ein Wunder... (lacht)

Vielen Dank Stefan und Viel Glück für Morgen!

Dankeschön!

Lest auch den 1. Teil des Interviews...

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