Einfach SCHÖN fahren. Bernd Eckenbach im Interview - wasserwerfer-magazin.de - Seite 3 von 5

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Was sind deine persönlichen Stärken und Schwächen. Wo siehst du deine Vorteile gegenüber deinen härtesten Konkurrenten und was sind Schwachpunkte bei dir?

(lacht) Wenn ich das jetzt erzähle, wird das ein Dobes lesen.. und Johnny Aubert und Turpin und dann sind die ganz schnell vorne bei den nächsten Rennen. (lacht wieder)

Ich denke, daß ich aufgrund meiner Erfahrung eben ein Rennen ganz gut einteilen kann. Daß ich abgesehen von Reutlingen wenig Fehler mache. In Reutlingen im zweiten Lauf hab ich einfach erfahren, daß man nur auf der trockenen Spur fahren kann, da bin ich dann auch zweimal gelegen. Das war auch ganz klar mein Fehler. Desweiteren weiß ich, wann ich attackieren muß. Weiß, wo die Grenzen sind...

Schwächen hab ich eigentlich keine richtigen. Vielleicht ein bißchen konzeptbedingt mit dem Motor, daß in sehr engen Kurven ein 4-Takt Motor schwerer zu fahren ist als ein leichter Zweitakter.

Klar, meine Starts sind eine absolute Stärke von mir. Das ist keine Frage. Das ist auch etwas, wo ich echt stolz drauf bin, aber für das ich eben auch ziemlich viel trainiert habe und das Motorrad darauf abgestimmt habe, daß es funktioniert am Start. Das haben mir der Bo, das Team und KTM Österreich eben ermöglicht. Ich habe gesagt: "Leute, so und so brauche ich das und es liegt an euch das zu machen." Und sie haben es hinbekommen. Deshalb ist mein Start so gut unter anderem. Aber wenn ich die Voraussetzungen nicht habe, dann kann ich auch keinen Start gewinnen.

Wie bereitet man sich mental auf ein Rennen vor? Welche Gedanken hat man kurz vor dem Rennen, wenn man an der Startmaschine steht?

An der Startmaschine habe ich eigentlich nur einen Gedanken: Daß ich der Erste bin, der um die erste Kurve fährt. Das ist einfach so. Darauf bin ich fokussiert. Es ist auch so, daß ich auf einem Rennen eine ganz andere Person bin als ich jetzt bin. Ich bin reserviert und konzentriert und werde deshalb auch oft schnell mal als arrogant hingestellt. Aber ich arbeite die ganze Woche durch für das Wochenende. Da kann ich dann am Wochenende kein guter Leichtfuß sein. Ich muß mich auf das konzentrieren, was ich eigentlich mache, nämlich auf meine Arbeit. Und mental geht das Ganze schon am Freitag los. Schon da merke ich, daß ich angespannt bin. Das kann ich zwar recht gut verbergen, und wenn die Claudi mit den zwei Kleinen da ist, kann ich sogar auch mal komplett abschalten. Aber man muß sich wirklich mental gut auf ein Rennen vorbereiten und sich bewußt machen, wo sind die Tücken der Strecke, wo sind meine Stärken, wo sind meine Schwächen, wo muß ich aufpassen, wo gibt's Möglichkeiten zum Überholen, falls ich einen schlechten Start haben sollte. Und auf jeden Fall positiv denken, das ist das Wichtigste. Die Strecke kann noch so schwer und kaputt sein.

Schweden war echt ein extremes Beispiel für eine ganz kaputte Strecke. Ich bin am Samstag echt einen Stiefel zusammengefahren, bin 3 mal runtergefallen, war 23. in der Qualifikation und das war alles nicht so toll. Gut, ich war erkältet, hatte Fieber und eine Mandelentzündung, aber das ist keine Entschuldigung dafür, daß ich so schlecht gefahren bin. Und dann hab ich mich einfach auf Sonntag konzentriert und mir gesagt: Paß auf, du hast eine schlechte Startposition. Du mußt jetzt einfach gut reagieren, weil davon hängt dein Ergebnis ab, vom Start. Und dann hab ich mir die Strecke angeschaut. Kurz vor meinem Start noch gesehen, was den anderen so passiert ist auf der Strecke. Ich hab dann gedacht: Ok, wenn du es so und so machst, dann geht es gut. Ja, und es hat funktioniert! Ich war beim Start vorne dabei, bin 7. geworden. Ich bin wirklich gut gefahren, weil ich im Kopf vorher ganz genau gewußt habe, wie ich das Rennen angehe. Und das ist etwas, was ich beispielsweise von Darryl King gelernt habe. Daß wenn was extrem schwer ist, man es dann als Herausforderung sehen soll und versuchen soll es zu meistern. Nicht jammern und sagen: Oh, so schwer und schlecht und gefährlich und was weiß ich nicht alles. Dieser Negativgedanke reicht dann eigentlich schon aus, daß du am Start stehst und am besten auch dort stehen bleiben solltest, weil es keinen Sinn hat so zu fahren.

So lernt man eben mit der Erfahrung. Das ist etwas, was extrem wichtig ist: die Einstellung auf das Rennen. Und deshalb kann ich auch nicht zwei Minuten vor dem Rennen noch ´ne Cola trinken und ´ne rote Wurst essen. Kurz vor dem Rennen bin ich, glaube ich, einer der nervösesten Menschen, die es im Fahrerlager gibt. Da kann ich morgens noch ein bißchen Frühstücken, aber bloß noch so Kleinigkeiten. Nudeln da und vielleicht hier mal noch ein bißchen Brot, aber ansonsten richtig Essen geht nicht mehr, weil der Magen sonst rebelliert. Das zeigt eben auch die Anspannung, die in einem ist. Bei einem normalen Rennen, wo es vielleicht nur ums Preisgeld geht und um keine Meisterschaft, da geht es oftmals lockerer und besser, weil man vielleicht einfach den Druck nicht hat. Bei den Meisterschaftsrennen hat man einfach einen extremen Druck von allen Seiten. Das ist auch ein Punkt, den ich mal nicht vermissen werde, wenn ich mal nicht mehr fahren werde. (lacht)

Worauf kommt es denn genau an beim Start. Starts trainieren kann doch eigentlich jeder, aber bei dir klappt es ganz hervorragend und bei manch anderen überhaupt nicht, z.B. Johnny Aubert. Woran liegt es?

Johnny ist für mich ein begnadeter Motocross-Fahrer. Er hat meiner Meinung nach zwei Probleme: der Start funktioniert nicht gut bei ihm und er gibt schnell auf, wenn er hinter einem ist. Ich denke das Problem ist, daß er mit dem Kopf nicht immer ganz so bei der Sache ist, wie er es eigentlich sein sollte. Ich denke, ihm geht es grade ziemlich gut bei Kurz Casola. Da hat er im Moment keinen wirklichen Druck vom Team. Daß sie sagen: "Hey Junge, jetzt bring mal die Leistung, die du eigentlich bringen kannst". Das Potential hat er auf jeden Fall. Aber er ist eben einer von denen, der Freitag- und Samstagabend gerne im Zelt ist, weniger um Party zu machen als um nach dem anderen Geschlecht Ausschau zu halten. Und wenn er das mal in den Griff bekommt, dann fährt er auch in der Weltmeisterschaft unter die ersten drei. Er ist echt ein begnadeter MX-Fahrer. Er müßte einfach ein bißchen härter trainieren. Aber ich denke, ihm geht's einfach ziemlich gut.

Und die Sache mit dem Start, ich denke er ist vom Kopf her nicht richtig eingestellt, oder er macht sich zu wenig Gedanken darüber, wie er den Start wirklich verbessern könnte. Wenn er sich da mehr Gedanken machen würde, wäre er sicher auch jemand, der da ganz vorne mit dabei sein würde. Denn alles ist erlernbar. Mit dem Talent, das er hat, dürfte der Start eigentlich kein Problem sein. Das ist meine Meinung.

Gibt es denn einen Lieblingsgegner für dich?

(lacht) Jeden, den ich überholen kann. Ich muß eigentlich sagen, gegen die Fahrer, gegen die ich früher gefahren bin, ob das Dietmar Lacher war oder Peter Johansson, das waren eigentlich alles Fahrer, die sich gegenseitig geachtet haben. Man hat gewußt, man lebt davon. Man ist harte Rennen gefahren, aber faire Rennen. Und so sollte es auch einfach sein. Denn nur dann hat man auch die Chance den Sport längerfristig zu machen und mit Spaß zu machen. Und kann hinterher sagen: "Mensch, wir sind ein super gutes Rennen gefahren". Die älteren Fahrer, die wissen eher worum es geht da draußen. Leben und Leben lassen. Und das ist im Moment gerade ein bißchen ein Problem. Nicht nur in der WM, sondern auch in der DMX.

Aber man muß sagen, mit Johnny Aubert ein Rennen zu fahren, das macht echt Spaß. Er fährt auch echt fair und um das geht es eigentlich. Wenn einer schneller ist, kein Thema. Man kann sich auch berühren, kein Thema, aber man muß sich immerhin noch die Chance lassen zu überleben. Das Problem ist, daß man sich nicht gegenseitig abschießt. Das stumpfsinnige Runterfahren, was eigentlich für niemanden was bringt. Man muß immer daran denken, daß man am nächsten Wochenende wieder zusammen fährt und fahren möchte um Geld zu verdienen bzw. kann immer ´ne Retourkutsche kommen. Wenn ich heute einen abschieße, merkt er sich das. Dann ist einfach noch eine Rechnung offen. Das kommt dann vielleicht nicht gleich, aber da hat einfach jeder Fahrer ein Gedächtnis wie ein Elefant. Und die Möglichkeit kommt irgendwann und dann kommt die Retourkutsche. Das ist zwar nicht schön, aber das ist einfach so. Damit muß jeder Fahrer auch rechnen, wenn er so einen Blödsinn macht. Und es gibt auch schon so genug Probleme und Querelen, daß man sich nicht auch noch welche schaffen muß.

Früher z.B. ist man nach dem Renntag mit dem kompletten Fahrerlager Essen gegangen und danach ist jeder wieder nach Hause gefahren. Heute ist alles so eng, und man muß sich schon fast entschuldigen, wenn man in ein anderes Zelt reinschaut. Das finde ich ziemlich schade. Ich mein, klar die jungen Fahrer interessieren sich auch vielleicht nicht mehr so für die alten Fahrer. Ich bin 32, da sind die Interessen natürlich auch ganz anders. Das ist auch klar, aber so ein bißchen das Miteinander, das fehlt heutzutage meiner Meinung nach.

Motocross in Amerika - Motocross in Europa. Eigentlich muß man die WM ja als Europameisterschaft sehen. Die Amerikaner machen da ja komplett ihr eigenes Ding....

Weil sie sich nicht trauen zu kommen! In Europa gibt's andere Sprachen, es gibt nicht überall das gleiche Essen, wir haben extreme Wetterschwankungen. Sie müßten sich umstellen von den Kulturen her, und sie verdienen drüben einfach mehr Geld. Ja, und es gab ja immer Fahrer, die rüber gekommen und auch hier gut gefahren sind. Aber es gibt eben auch viele, die 'rüber gekommen sind und hier untergegangen sind, weil sie einfach nicht klar gekommen sind.

Trampas Parker, Bobby Moore, Donny Schmit oder Mike Healy sind bzw. waren da. Es waren schon einige Fahrer hier, aber es ist einfach so, daß sie sich sagen: Warum sollen wir ins Ausland gehen, wenn wir es bei uns schöner haben. Da kennen sie alles, verdienen mehr Geld und haben mehr Spaß als in Europa. Man müßte sich sonst einfach umstellen. Und jeder geht eigentlich den einfacheren Weg.

Was denkst du sind die großen Unterschiede, wenn man in Amerika Motocross fährt oder in Europa?

In Amerika ist alles sehr professionell. Die Strecken sind perfekt vorbereitet. Die Werke sind ganz klar auf Amerika fokussiert, weil da natürlich auch ein viel größerer Absatzmarkt ist. Es wird einfach mehr in die Infrastruktur von einem Team investiert. Sie haben eigene Trainingsstrecken, wo eben nur die Fahrer drauf dürfen. Sie betreiben einen viel größeren Aufwand für die Sache. Das Ganze wird viel mehr gepusht als bei uns. Und durch das Supercross in Amerika, wo wirklich die Stadien gefüllt sind, herrscht ein viel größeres Medieninteresse als bei uns. Und auch viel spannendere Rennen, weil die Strecken viel mehr hergeben.

Hast du auch mal darüber nachgedacht nach Amerika zu gehen und da drüben zu fahren?

Auf jeden Fall. Es war ein Traum von mir in Amerika zu fahren. Von 1989-1993 war ich Testfahrer für Yamaha und habe relativ viel in Amerika getestet. Eigentlich immer 3-4 Wochen im Jahr. Ich hatte ziemlich gute Kontakte über die Schiene Japan, d.h. ich hätte erst ein Jahr in Japan fahren müssen und hätte dann die Möglichkeit gehabt nach Amerika zu gehen und da zu fahren. Aber damals war ich 19 und habe gedacht: "Oh Gott, ich alleine in Japan. Rohen Fisch essen.. ". Was ich heute übrigens sehr gerne mag, aber damals war es einfach undenkbar für mich. Das war vielleicht ein Fehler, aber auch das war eine Entscheidung, die ich getroffen habe. Zu diesem Zeitpunkt war es meiner Meinung nach die richtige, aber jetzt im nachhinein läßt sich natürlich darüber diskutieren.

Wenn man MX vor 10 Jahren mit MX heute vergleicht, was hat sich da verändert in Deutschland?

Das Erste, was auffällt ist, daß die Transporter im Fahrerlager immer größer werden. Was man aber meiner Meinung nach nicht bräuchte um gute Rennen zu fahren. Es ist aber auch ganz klar eine gute Werbung für die einzelnen Teams, wenn sie so groß auftreten und sich repräsentieren. Desweiteren hat sich auch der Streckencharakter verändert. Es werden immer mehr technische Hindernisse eingebaut, um den Zuschauern gerecht zu werden. Allgemein läßt sich sagen, daß der gesamte Motorsport von dem ganzen Michael Schuhmacher- Boom profitiert hat, der übrigens auch Motocross fährt. Michael und Ralf Schuhmacher fahren beide Motocross, genauso wie die Skispringer.

Das mit dem Motocross war immer so eine Sache: Viele sind gefahren, aber keiner hat sich öffentlich getraut es zu sagen. Heute ist es so, daß egal wo man hinschaut, jeder kennt's oder hat zumindest schon mal was davon gehört, fährt selber oder hat ´ne Maschine zu Hause rumstehn oder Freunde, die fahren. Darunter sind relativ viele Leute, wo ich nie gedacht hätte, daß sie jemals damit in Berührung gekommen sind oder in Berührung kommen wollen. Und die sagen: "Hey, das gefällt mir und das finde ich super gut."
Aber man muß auch sehen, daß mittlerweile das Sportangebot am Wochenende so groß geworden ist, daß man sich wirklich entscheiden muß, was man macht und wo man hingeht. Eine weitere Tatsache ist, daß die Leute immer bequemer werden durch den Streß, den man unter der Woche im normalen Arbeitsleben hat. Dann sagen viele: "Am Wochenende geh ich auf das Stadtfest, trinke ein paar Biere und schlafe am Sonntag erst mal aus. Schau mir dann Straßenrennen, Formel eins etc. im Fernsehen an." Deshalb sind die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren immer rückläufig. Das ältere Publikum kann vielleicht nicht mehr oder möchte nicht mehr, und das junge Publikum hat vielleicht andere Interessen. Die finden das zwar cool und lässig, was wir machen, würden sich aber nicht an einem Regentag hinstellen und sich ein Schlammrennen in Reutlingen anschauen oder bei 30°C an der Strecke stehen und schwitzen.

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Bernd in AichwaldPit Beirer und Bernd Eckenbach

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