Einfach SCHÖN fahren. Bernd Eckenbach im Interview - wasserwerfer-magazin.de - Seite 4 von 5

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Wie ist der Vergleich Supercross - Motocross. Viele Fahrer wie z.B. Stefan Ludwig, Lukas Weis und Rui Goncalves sind beim Supercross ganz vorne mit dabei und bei den Outdoor-Rennen tun Sie sich recht schwer. Woran meinst du liegt das?

Also, ich bin früher auch beides gefahren und bei beidem recht erfolgreich gewesen. Ich denke, daß die Jungs einfach noch nicht verstehen, daß man eigentlich das ganze Jahr durch für den Supercross- Vertrag arbeiten muß. Die meinen, wenn sie 2/3 gute Ergebnisse im Supercross einfahren, bekommen sie alles nachgeworfen. Aber die Realität sieht anders aus. Im Supercross kann man relativ viel mit Technik machen. Stefan Ludwig z.B. hat eine eigene Halle, in der er Tag und Nacht gefahren ist in den letzten zwei Jahren. Aber er hat nicht begriffen, daß man auch im Motocross so trainieren muß wie man für Supercross trainiert. Genauso ist es bei Lukas Weis. Lukas Weis ist ein Supertalent, aber er macht einfach zu wenig wie meiner Meinung nach 80% des deutschen Nachwuchses. Die sehen, was die Fahrer haben, die an der Spitze sind. Wollen das natürlich auch möglichst schnell bekommen, aber sind sich nicht darüber im Klaren, was man dafür tun muß. Wenn die bei den 80-ern nach vorne fahren und sehen, das geht relativ easy, denken die, das geht so weiter und verstehen nicht, daß das nur ein Anfangsstadium ist. Am Anfang sind die Fortschritte groß, die man macht, aber je höher man kommt, desto kleiner wird die Möglichkeit sich zu verbessern. Die Luft da oben wird immer dünner und man gelangt an einen Punkt, wo es einfach weh tut. Wo man sich richtig quälen muß, wo es keine Ausreden mehr gibt, und wo man nicht mehr mit Talent weiter kommt. An diesem Punkt resignieren die meisten und sagen, es läuft nicht mehr.

Liegt das vielleicht auch daran, daß die jungen Fahrer niemanden haben, der sie bei der Hand nimmt und ihnen das so erklärt, wie du es uns gerade geschildert hast?

Ja, das denke ich schon. Zum einen liegt es wohl daran und zum anderen, daß ihnen zu Hause alles erfüllt wird. Das ist bis zu einem gewissen Maße ja auch o.K. Nur, wenn ich dann sehe, daß die Eltern mit einem riesigen Auto kommen und dann erstmal ein super-edles Mountainbike ausladen und ein Fahrerlager- Motorrad, damit ihr Schützling im Fahrerlager rumdüsen kann. Dann kommt das Motorrad raus und man hört: "Oh Mann, wir haben kein Geld mehr für neue Reifen". An dem Punkt muß man sich fragen, was da falsch läuft. Dann paßt alles nicht mehr zusammen. Sicher, man muß Spaß haben und gewisse Sachen sollte man sich auch leisten, weil das auch zur Motivation beiträgt. Aber manche Dinge muß man sich auch einfach erarbeiten, und ich denke, daß da einfach auch zu wenig von daheim gesagt wird. Sicher, wenn die Kleinen in der 80-er Klasse erfolgreich sind, sind die Eltern stolz und freuen sich mit ihnen und erfüllen ihnen alle Wünsche. Man hat ja auch seinen Spaß daran, wenn sich der Kleine freut. Aber es sollte nicht so ausarten, daß alles nur noch materiell wird. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit hilft das Material auch nicht mehr, um schneller zu werden. Da muß man erstmal wieder beißen, bis man weiter kommt und den nächsten Schritt machen kann.

So lernt man eben mit der Erfahrung. Das ist etwas, was extrem wichtig ist: die Einstellung auf das Rennen. Und deshalb kann ich auch nicht zwei Minuten vor dem Rennen noch ´ne Cola trinken und ´ne rote Wurst essen. Kurz vor dem Rennen bin ich, glaube ich, einer der nervösesten Menschen, die es im Fahrerlager gibt. Da kann ich morgens noch ein bißchen Frühstücken, aber bloß noch so Kleinigkeiten. Nudeln da und vielleicht hier mal noch ein bißchen Brot, aber ansonsten richtig Essen geht nicht mehr, weil der Magen sonst rebelliert. Das zeigt eben auch die Anspannung, die in einem ist. Bei einem normalen Rennen, wo es vielleicht nur ums Preisgeld geht und um keine Meisterschaft, da geht es oftmals lockerer und besser, weil man vielleicht einfach den Druck nicht hat. Bei den Meisterschaftsrennen hat man einfach einen extremen Druck von allen Seiten. Das ist auch ein Punkt, den ich mal nicht vermissen werde, wenn ich mal nicht mehr fahren werde. (lacht)

Welche Sportarten wirken unterstützend fürs Motocross?

Alles was Räder hat, wo man lernt zu bremsen. Lernt zu reagieren, wenn das Ding ins Rutschen kommt. Ein Gefühl dafür bekommen. Aber auch jede andere Sportart, bei der man sich auf einen Punkt konzentrieren muß z.B. Golf, aber auch Eishockey, Laufen oder Leichtathletik. Motocross ist vielfältig und man sollte eigentlich alles können, um den Anforderungen gerecht zu werden. Aber auch Judo und Karate sind nicht schlecht. Eigentlich alles, wo man Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer braucht. Ich bin auch kein Multitalent. Ich bin ein absoluter Anfänger was Ballsportarten betrifft. Nach einem Jahr Fußballtraining bin ich einmal eingewechselt worden und das nur, weil zu wenige da waren. Also war mir klar, Fußballer werde ich schonmal nicht. Dafür habe ich dann gemerkt, daß ich ganz gut Laufen und Radfahren kann und habe mich dann umorientiert zum Ausdauersport und Krafttraining.

Wie sieht es mit Trial aus?

Das ist eine supergute Vorstufe fürs Motocross fahren. Stefan Everts fährt immer noch extrem viel Trial. Das sieht man seinem Fahrstil auch an. Er fährt extrem ruhig und ganz tolle Spuren. Aber er hat es auch einfach im Blut. Er macht das ganze einfach von innen heraus. Viele sagen, er hat einfach nur Talent, aber er hat sich das auch erarbeitet durch stundenlanges Motorradfahren.

Bist du auch schon Trial gefahren?

Ja, ich hab auch mal ein Trialbike gehabt und bin selbst gefahren. Aber die Möglichkeiten in Deutschland sind natürlich extrem begrenzt. Als ich in Belgien war, da konnte man relativ viel Trial fahren, weil da alles noch ein bißchen offener ist. Bei uns mußt du das Motorrad erst wieder einladen und auf ein ausgewiesenes Trialgelände fahren. Wenn ich da bedenke, wieviel Zeit durch An- und Rückfahrt verloren geht, da gehe ich lieber gleich Motocross fahren. Wenn ich in Spanien bin, ist alles lockerer. Da suche ich mir ein schönes Plätzchen und kann Motocross oder Enduro fahren, kann Spaß haben und dabei auch noch was lernen.

Im Winter dann in die Berge und aufs Snowboard?

Auch das habe ich einmal probiert und bin auch relativ schnell damit klar gekommen. Aber dann hat es mich einmal so derb hingehauen, daß ich gesagt habe: Das war's. Ich bin eigentlich eher der traditionelle Skifahrer. Aber ich muß ganz ehrlich sagen, daß mir das Risiko mich zu verletzen zu groß ist. Und bevor ich jedes Mal sämtliche Orthesen anziehen muß, um den Berg runter fahren zu können, flieg' ich lieber in die Sonne, wo es warm ist und trainiere Mountainbike oder fahr Motocross oder Jetski.


Jetzt hat sich ja noch eine eigene Motocross- Art entwickelt. Das FMX. Was sagst du zu dieser Sportart?

Das hat dem Motocross extrem viel geholfen an Popularität zu gewinnen. Nur finde ich es nicht gerade förderlich für die Jugend, wie sich einige Fahrer verhalten. Man sollte nicht vergessen, daß wir eine Vorbildfunktion haben und wenn die Kinder dann irgendwelche Körperteile bei einem Contest sehen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, finde ich das nicht gut. FMX ist gut für das Motocross, um es populär zu machen, aber es sollte immer noch eine gewisse Professionalität dahinter stehen, um auf Dauer bestehen zu können.

Backflip ist echt etwas, wovor ich den Hut ziehe. Alles andere kann ich ja noch nachvollziehen, aber beim Backflip denke ich immer: no way. Aber die Jungs, die das können, machen es perfekt. Wirklich gigantisch. Trotzdem ist die Verletzungsgefahr natürlich extrem hoch. Aber man braucht eben beim Motocross keine Grundkenntnisse, um Springen zu können. Das ist das Gefährliche daran. Du gibst Gas und das Ding bewegt sich, ob du es kannst oder nicht. Bei allen anderen Sportarten, ob Windsurfen oder Snowboarden brauchst du gewisse Grundkenntnisse, um überhaupt so schnell zu sein, damit du springen kannst und das brauchst du beim MX nicht. Das ist dann gerade für die gefährlich, die sich nicht richtig einschätzen können.

Bei vielen FMXern scheint der sportliche Aspekt eher im Hintergrund zu stehen. Es geht viel mehr darum Spaß zu haben und eine gut Show zu liefern...

Das ist auch vollkommen in Ordnung so. Vor den Fahrern, die das richtig gut können, habe ich großen Respekt. Aber die sind dann auch wirklich gut, haben die Sache im Griff und betreiben das Ganze seriös. Sie bereiten sich gut darauf vor und haben auch dementsprechend die richtige Einstellung. Leider sind das nur sehr wenige. Ein relativ großer Teil der Freestyler findet es einfach hip und cool ein Freestyler zu sein, ohne genaue Kenntnisse darüber zu haben, wie eigentlich was geht und wie man was macht. Vor allem auch kontinuierlich macht, sich konzentriert und versucht jeden Sprung gleich zu machen.

Eine ähnliche Entwicklung haben wir jetzt auch beim Mountainbiken: Downhill. Bist du selbst schon mal Downhill gefahren?

Ja, ich war mal in Todtnau und hab einen Vergleich gehabt mit dem Markus Klausmann. Das war von den Zeiten her sogar ganz vernünftig. Aber ich bin schockiert, was die Jungs machen und vor allem mit welcher Geschwindigkeit. Ich kann nicht verstehen, wie man das unter Kontrolle hat. Als ich da runter gefahren bin, war ich komplett außer Kontrolle. Ich bin zwar nicht gestürzt, aber ich konnte nicht sagen, daß ich jede Abfahrt gleich hinbekomme. Das ist auch ein Bereich, der extrem viel Konzentration erfordert.

Ich persönlich bin aber eigentlich eher der Typ, der sich gerne hochquält und sich dann freut, wenn er es geschafft hat und wieder runter fahren kann. Ich fahr auch so oft es geht an den Gardasee oder den Lago Maggiore zum Mountainbiken und bin immer einer der ersten, der den Berg hochfährt und dann auch Spaß hat beim Runterfahren, gar keine Frage. Aber die Anstrengung beim Hochfahren gehört für mich einfach dazu.

Deine Karriere geht im Moment immer noch ganz steil nach oben. Kommt da bei dir der Gedanke auf, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist?

Ich hab vorletztes Jahr schon zu Bo gesagt, laß uns noch ein Jahr dran hängen und dann gehen wir angeln. Das habe ich letztes Jahr wieder gesagt. Aber es ist richtig: wenn es am schönsten ist, sollte man eigentlich aufhören. Aber warum aufhören, wenn es keinen Grund dafür gibt. Ich habe einfach immer noch wahnsinnig viel Spaß am Motocross fahren. Wenn alles stimmt, die Motivation stimmt und KTM sagt, wir möchten dich weiterhin sehen, und wenn Bo sagt, er bleibt dabei, besteht die Möglichkeit, daß ich weiter fahre bzw. ist sie ziemlich groß, daß ich weiter fahre. Aber da müssen wir noch eine Weile abwarten. Niemand weiß, was nächstes Jahr mit der Weltmeisterschaft passiert und im Moment geht es mir darum, erstmal diese Saison vernünftig zu Ende zu bringen Die Ziele zu erreichen, die ich mir gesteckt habe. Und erst dann werde ich über die Zukunft nachdenken.

Fährst du dieses Jahr wieder das Supercross-Rennen in München?

Darüber hab ich mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Und ich kann das auch nicht alleine entscheiden. Das werde ich auf jeden Fall mit meiner Frau, meinem Mechaniker, dem Team und KTM Deutschland entscheiden.

Was kommt nach deiner aktiven Zeit als Motocrosser?

Ich werde auf jeden Fall im Sportbereich für KTM Deutschland arbeiten und unseren Sport repräsentieren. Ich möchte meine Erfahrung weiter geben und dafür sorgen, daß KTM durch mich vielleicht noch zwei Motorräder mehr verkaufen kann. Das war auch der Grund, warum ich überhaupt mit KTM zusammen gekommen bin. Ich habe überlegt, wo die Zukunft hinführen soll. Auf ein japanisches Motorrad oder ein europäisches. Ich habe beide Motorräder getestet und fand beide gut. KTM hat mir aber ein super Angebot gemacht, hinter dem ich nach wie vor stehe, und das ich dann auch in Anspruch nehmen werde.

Maxi Nagel ist ein persönlicher Schützling von dir geworden. Trainiert ihr viel zusammen und versuchst du ihm den Aufstieg aufgrund deiner Erfahrung etwas leichter zu machen?

Ja. Am Wochenende sind wir ja eh immer zusammen und ansonsten versuchen wir schon drei mal im Monat zusammen zu trainieren. Er ist einer der wenigen, der den Biss hat und bei dem es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Ich möchte ihm einfach helfen, schneller nach oben zu kommen. Er fährt absolut gut Motorrad. Körperlich hat er noch ein paar Defizite, die er aber noch verbessern kann. Er braucht einfach noch ein bißchen mehr Kraft, um sein fahrerisches Können auch auf Strecken, die ihm nicht so liegen, umsetzen zu können.

Was wird passieren, wenn deine Kleinen irgendwann mal sagen, sie wollen Motocross fahren?

(lacht) Ich hoffe, daß die vorher einen Golfschläger in der Hand haben! Nein! Mir ist es einfach wichtig, daß sie was machen. Wenn sie fahren wollen, dürfen sie fahren. Ich bin sicherlich der Letzte, der sagt, sie dürfen es nicht und was dabei rauskommt, sieht man dann einfach. Ich bin nicht derjenige, der sie da unter Druck setzen wird. Ich denke, mir wäre es vielleicht sogar lieber, wenn sie nicht fahren. Das sage ich hier ganz offen. Denn man steckt auch ganz schön viel rein und ich denke, es muß nicht immer der Sport sein. Aber wenn die beiden oder einer von ihnen fahren will, dann sollen sie das tun. KTM hat auch ganz gute 50-er. Wir sind also bestens versorgt.

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